Sie haben im Wahlkampf viel über den Schutz von Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegenden vor Über- lastung gesprochen. Wie sieht ein guter betrieblicher Gesundheits- schutz aus? Die DRG hat vor kurzem die Kom- mission Nachhaltigkeit@DRG gegründet, um das Thema Nachhal- tigkeit in der Radiologie zu veran- kern. Der betriebliche Gesundheits- schutz, den Sie genannt haben, ist ein Weg hin zu mehr sozialer Nachhaltigkeit im Gesundheits- wesen. Wo sehen Sie weitere Ansatzpunkte, um das Gesundheits- wesen nachhaltiger zu gestalten? Die DRG hat vor einiger Zeit auch eine Kommission Diversity@DRG gegründet. Welche Erfahrungen haben Sie mit diesem Thema als Radiologin oder Ärztin generell gemacht? Das Thema gehört zum Bereich Krankenhausreform, denn eine Krankenhausre- form und die Änderung der Investitionskostenfinanzierung bieten die Möglichkeit, sehr direkt Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wir sollten uns gerade auch im Gesundheitsausschuss dafür stark machen, dass in Zukunft bei jeglicher Reform im Gesundheitswesen immer die Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten mitgedacht werden. Als wir zum Beispiel die Personaluntergrenzen für die Pflege eingeführt haben, hat niemand darüber nachgedacht, welche Aus- wirkungen das für andere Berufsgruppen im Krankenhaus hat. Wir sehen jetzt, dass in dem Moment, in dem man bei der Pflege nicht mehr kürzen kann, bei den Ärztestellen gekürzt wird. Das war nicht der Sinn der Sache, an so etwas müssen wir ran. Auch geht es natürlich auch darum – das sehe ich vor allem als Aufgabe der Tarifparteien – weiter daran zu arbeiten, dass Dienstpläne zuverlässig sind, Arbeitszeitregelungen eingehalten werden und das betriebliche Gesundheitsma- nagement, insbesondere auch bei der Prävention von Burnout und Überlastungs- situationen, deutlich besser wird. Das sind drei große Punkte: Die Kliniken müssen klimaneutral werden. Das ist eine unglaublich große Aufgabe, weil Kliniken noch immer extrem energieintensive Einrichtungen sind. Da ist natürlich auch die Radiologie als besonders energiein- tensive Fachrichtung in der Klinik gefragt. Der zweite Punkt ist die nachhaltige Personalentwicklung. Das bedeutet für mich nicht nur, dass die Arbeitsbedingun- gen besser werden. Wir müssen es auch schaffen, dass die, die eine Ausbildung im Bereich Gesundheit machen, tatsächlich in diesem Job bis zur Rente tätig sein wollen. Die Gesundheitsberufe, gerade die nicht-akademischen, brauchen dafür auch bessere Aufstiegsmöglichkeiten. Darüber hinaus müssen wir insgesamt noch stärker dazu kommen, eine evidenzbasierte Medizin zu machen und dabei zum Beispiel auf teilweise doppelte Untersuchungen, teilweise nicht-indizierte Behandlungen zu verzichten. Auch das ist eine Facette von Nachhaltigkeit in der Medizin: Denn durch das Weglassen unnötiger Behandlungen schaffen wir an an- derer Stelle mehr Kapazitäten für eine maximal qualitätsvolle sowie eine humane und menschenwürdige Behandlung. Der größte Verbündete bei dem Ziel, mehr Diversity auch in der Radiologie zu errei- chen, ist der Fachkräftemangel. Wir sehen ja, dass, wie in vielen anderen Branchen auch, Chefinnen und Chefs in Auswahlverfahren dazu tendieren, sich für Menschen zu entscheiden und einzustellen, die ihnen ähneln. In Zeiten des Fachkräfteman- gels wird das aber immer schwieriger. Deswegen führt der Fachkräftemangel auch dazu, dass die Gruppe der Eingestellten deutlich diverser wird. Das ist ein entschei- dender Grund, warum beispielsweise auch Frauen in der Radiologie zunehmend bessere Aufstiegsmöglichkeiten haben. Das war eben nicht primär das Ergebnis von Frauenförderungsprogrammen, sondern weil es teilweise keine personellen Alternativen mehr gibt. Das gilt auch für Menschen mit Migrationshintergrund und, in sehr geringer Zahl, auch für Menschen mit Handicaps. Gesundheitspolitik